Professor Dirk Pette († 4.6.2022)
In memoriam Dirk Pette, geschrieben von Alexander Bürkle
Am 4. Juni 2022 verstarb plötzlich und unerwartet Herr Prof. em. Dr. Dr. h.c. Dirk Pette, der frühere Ordinarius für Biochemie im Fachbereich Biologie unserer Universität. Sein Leben war ein bewegtes und ein erfülltes.
Dirk Pette wurde am 14. Februar 1933 als drittes von vier Kindern seiner Eltern Edith und Heinrich Pette in Hamburg geboren. In der Zeit des zweiten Weltkriegs wohnte die Mutter mit den Kindern in Oberbayern, während der Vater als Neurologe in Hamburg tätig war. Nach Kriegsende zogen Mutter und Kinder wieder nach Hamburg zurück. Dirk Pette studierte nach dem Abitur Humanmedizin in Hamburg und in Genf. Im Jahr 1956 heiratete er die griechische Studentin Fanny Megalidou. Aus ihrer Ehe gingen zwei Kinder hervor. Im gleichen Jahr promovierte Dirk Pette zum Dr. med. Seine Habilitation für das Fach Physiologische Chemie schloss er 1963 an der Universität Marburg ab.
Nach einer Phase als Privatdozent an der Ludwig-Maximilians-Universität München wurde Dirk Pette, noch sehr jung an Jahren, 1967 auf die Professur für Stoffwechsel- und Muskel-Biochemie sowie Enzymologie im Fachbereich Biologie der kurz zuvor gegründeten Universität Konstanz berufen. Die darauffolgenden Jahrzehnte waren für Dirk Pette in Forschung und Lehre außerordentlich fruchtbar. Er baute sich ein dynamisches und hochmotiviertes Team aus akademischen und technischen Mitarbeitenden, Promovierenden und Studierenden sowie zahlreichen wissenschaftlichen Gästen aus Europa und Übersee auf. Mit diesem Team und seinem Netzwerk von international kooperierenden Arbeitsgruppen gelang es Dirk Pette unter anderem, grundlegende Mechanismen der sogenannten Plastizität von Muskelfasern in Abhängigkeit von ihrer Steuerung durch Nervenfasern zu entdecken. Er erwarb sich damit ein sehr hohes internationales wissenschaftliches Renommee. Letzteres war wiederum eine wichtige Grundlage für die Einwerbung von zwei aufeinanderfolgenden DFG-Sonderforschungsbereichen (in den Jahren 1973 bis 1998) als deren Sprecher. Damit hat Dirk Pette schon lange vor der Etablierung des bundesweiten Exzellenzwettbewerbs innerhalb seines Fachs in Konstanz wissenschaftliche „Exzellenz“ aufgebaut und weithin sichtbar gemacht.
Dirk Pette wurden zahlreiche wissenschaftliche Ehrungen zuteil, unter anderem die J.B. Wolffe Honorary Lecture des American College of Sports Medicine (1984), das „Dirk Pette Symposium“ der Königlich Dänischen Akademie der Wissenschaften, Kopenhagen, Dänemark (1999), die Ehrendoktorwürde der University of Waterloo, Ontario, Kanada (2000) sowie der Duchenne-Erb-Preis der Deutschen Gesellschaft für Muskelkrankheiten (2005).
Dirk Pette fokussierte sich nicht monoman auf die Forschung, sondern engagierte sich auch stark in der Lehre. Gemäß dem Motto aus der Gründungszeit der Universität „Lehre aus Forschung“ war es ihm, wie auch vielen seiner Kolleginnen und Kollegen, ein Anliegen, die Theorielastigkeit des traditionellen Studiums abzubauen und stattdessen die Studierenden verstärkt ins Labor zu bringen und an der konkreten „Forschungs-Praxis“ zu beteiligen. Im Fachbereich Biologie fand dies seinen sichtbarsten Ausdruck im System der „Vertiefungskurse“, die sich seit Gründung der Universität bewährt haben und daher wesentliche Bestandteile des Studiums geblieben sind. Auch noch nach seiner Emeritierung vertrat Dirk Pette sein Fach in der Lehre, da die Nachbesetzung der Professur einen langen Zeitraum in Anspruch nahm.
Dirk Pettes Persönlichkeit war gekennzeichnet von scharfem analytischen Denken, einem enormen Fundus an Wissen – selbstverständlich in seinem Fach, aber auch weit darüber hinaus. Er war ein hochgebildeter Mann. Des Weiteren war der – das darf man respektvoll so sagen – geradezu ein „Arbeitstier“ und legte an alles, was er tat, höchste Ansprüche an. Selbstverständlich hatte er seine eigenen Ansichten und Meinungen, die er auch energisch und nötigenfalls mit großer Ausdauer vertrat. Er war äußerst wortgewandt, auf Deutsch, Englisch und Französisch. Er redete gerne, und was er – fast immer in freier Rede – sagte, war klar strukturiert, hatte „Hand und Fuß“ und war druckreif. Sein wichtigstes Charakteristikum war aber seine menschliche Wärme, sein Zugewandt-Sein anderen gegenüber, seine Höflichkeit und sein Respekt. Dies konnte man zum Beispiel anhand seiner hohen Wertschätzung für die Handwerker in den wissenschaftlichen Werkstätten der Universität wahrnehmen, mit denen er hinsichtlich des Baus von Spezialgeräten für sein Labor viel zu tun hatte und denen er auf „Augenhöhe“ begegnete. Vorbildlich war auch die außergewöhnliche Hilfsbereitschaft und Unterstützung, die er etlichen aus den Warschauer-Pakt-Staaten geflüchteten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern angedeihen ließ, indem er sie unbürokratisch und schnell in seine Arbeitsgruppe aufnahm. Den sofortigen Zugang zu den Herzen „wildfremder“ Menschen ermöglichten ihm sein Charme und sein Humor, der für ihn so kennzeichnend war.
In seinem etwa zwanzigjährigen Ruhestand war es ihm vergönnt, bei relativ guter körperlicher Rüstigkeit und völliger geistiger Klarheit zusammen mit seiner geliebten Frau Fanny (verstorben 2017) und im Kreise befreundeter Menschen seinen zahlreichen Hobbys zu frönen, allem voran dem Musizieren auf seiner Geige und seiner Bratsche bei regelmäßigen Kammermusikabenden im Hause Pette und auch bei Auftritten vor Publikum.
Dirk Pette war eine der herausragenden Persönlichkeiten des Fachbereich Biologie. Mit ihm verlieren wir einen international hoch angesehenen Wissenschaftler und wegbereitenden Hochschullehrer, der bei seinen Kolleginnen und Kollegen, seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und bei den Studierenden äußerst beliebt und geschätzt war. Der Fachbereich Biologie wird ihn stets mit Dankbarkeit in Erinnerung behalten.