Erdbeobachtung durch Tiere
Prof. Dr. Martin Wikelski ist Max-Planck-Forschungspreisträger 2016
Prof. Dr. Martin Wikelski, Honorarprofessor an der Universität Konstanz und Direktor am Max-Planck-Institut für Ornithologie, Radolfzell und Seewiesen, erhält den Max-Planck-Forschungspreis für seine Forschung zur Interaktion von Tieren mit ihrer Umwelt. Martin Wikelskis Arbeit, die als weltweit führend gilt, bedient sich eines grundsätzlich neuen Ansatzes – der Lebenszeitbeobachtung von Tieren im Freiland. Mithilfe des von ihm initiierten Satellitensystems ICARUS wird es ab 2017 möglich sein, das Verhalten auch kleiner Tiere weltweit durchgehend zu beobachten. Auch die globale Datenbank Movebank geht auf Initiative des Biologen zurück. Langfristiges Ziel dieser Forschung ist, durch das Verhalten der Tiere, insbesondere durch Wanderbewegungen auch kleiner Tiere, das Leben auf der Erde zu beobachten und dadurch Naturkatastrophen oder den Ausbruch von Krankheiten wie Ebola voraussagen zu können. Der gemeinsame Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung und der Max-Planck-Gesellschaft ist mit 750.000 Euro dotiert.
„Martin Wikelski ist auf seinem Gebiet einer der kreativsten Forscher weltweit. Der Max-Planck-Forschungspreis ist eine hochverdiente Anerkennung seiner Leistung. Ich bin sehr glücklich über diesen exzellenten Wissenschaftler an der Universität Konstanz und gratuliere herzlich“, so Rektor Prof. Dr. Ulrich Rüdiger.
Anstatt unter Laborbedingungen forscht Martin Wikelski im Freiland. Nur so lässt sich untersuchen, wie ein Vogel von Europa nach Afrika navigiert oder nachts im Dunkeln durch einen bewölkten Himmel von Amerika nach Kanada findet. Der Biologe untersucht die Orientierungsmechanismen von Tieren, wie sie Informationen aus der Umwelt aufnehmen, verarbeiten und in Entscheidungen umsetzen. „Anhand ihrer besseren Messsysteme und überlegener Informationsverarbeitung können Tiere Vorhersagen machen, zu denen menschengemachte, technische Sensorik nicht in der Lage ist“, sagt Martin Wikelski. Wobei es hierbei nicht um das Verhalten von Einzeltieren geht, sondern von Tierkollektiven, verstanden als Netzwerke von intelligenten Sensoren, die sich über Milliarden von Jahren entwickelt haben. Seit 2015 wird Martin Wikelskis Forschung an der Universität Konstanz durch die Professur für Biodiversität und Kollektivverhalten von Prof. Iain D. Couzin ergänzt, der eine neu gegründete zweite Abteilung am Max-Planck-Institut für Ornithologie, Teilinstitut Radolfzell, leitet.
Martin Wikelski stattet einzelne Tiere mit Miniatursendern aus, die nicht nur Daten zum Tierverhalten, sondern auch zu den Umweltbedingungen aufzeichnen, in denen sich die Tiere bewegen. Bedeutenden Anteil am Bau der Sender haben die Wissenschaftlichen Werkstätten der Universität Konstanz. Die gesendeten Daten werden in der globalen Datenbank Movebank gespeichert, die Martin Wikelski in Kooperation mit dem Kommunikations-, Informations-, Medienzentrum (KIM) der Universität Konstanz weiterentwickelt. Erfasst werden die Daten bald durch das Satellitensystem ICARUS (International Cooperation for Animal Research Using Space), das der Biologe federführend auf den Weg gebracht hat und mit dessen Hilfe die Daten überall auf der Welt ausgelesen werden können. ICARUS wird von der Raumfahrtfirma SpaceTech in Immenstaad am Bodensee federführend gebaut und von einem internationalen Konsortium von Wissenschaftlern betrieben. Im Juni 2017 soll ICARUS auf der internationalen Raumstation ISS installiert werden.
Zur Analyse der Positions-, Körper- und Umgebungsdaten der Tiere nutzt Martin Wikelski eine weitere Konstanzer Expertise. Der Informatiker Prof. Dr. Daniel Keim ist spezialisiert auf die visuelle Analyse großer Datenmengen. Er verknüpft die multiplen Datensätze in ausgeklügelten Visualisierungen, wodurch sie erst interpretierbar werden. Martin Wikelski versteht sich als Teamplayer beim Aufbau eines „Powerhauses“, das weltweit einzigartig ist. Die Verleihung des Max-Planck-Forschungspreises sieht er entsprechend als „Auszeichnung dieser Entwicklung an der Universität Konstanz“.
Martin Wikelski ist wichtig, dass die Förderung durch den Max-Planck-Forschungspreis in einen größeren Zusammenhang gestellt wird, der konkrete Auswirkungen auf das Leben der Menschen hat. Die global gesammelten Daten werden es ermöglichen, Erkenntnisse zum Klimawandel zu sammeln, Erdbeben vorauszusagen oder beispielsweise den Ebola-Wirt zwischen zwei Epidemien zu identifizieren. Schließlich könnten in naher Zukunft Heuschreckenplagen der Vergangenheit angehören, weil es möglich sein wird, das Schwarmverhalten der Tiere zu verstehen. Die Idee dahinter ist, überall auf der Welt „Anzeigetiere“ zu haben, mit deren Hilfe ein globales Beobachtungssystem aufgebaut werden kann.
Über den Preisträger:
Martin Wikelski hatte von Juni 2008 bis April 2016 die Professur für Ornithologie an der Universität Konstanz inne und lehrt hier nun als Honorarprofessor. Als Direktor am Max-Planck-Institut für Ornithologie leitet er seit Dezember 2007 die Abteilung „Tierwanderungen und Immunökologie“ in Radolfzell. Nach seinem Studium der Zoologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München und seiner Promotion in Verhaltensökologie an der Universität Bielefeld forschte Martin Wikelski von 1995 bis 2007 an verschiedenen Universitäten und Forschungseinrichtungen in den USA, zuletzt seit 2000 an der Princeton University. Er ist „Emerging Explorer“ der National Geographic Society. Seit 2011 ist Martin Wikelski Leiter der Migration Ecology Group der FAO Task Force for Wildlife and Ecosystem Health. Er ist Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Seine Forschung wurde mehrfach ausgezeichnet.